Projekt „Heimvorteil“

Anlässlich des Tages der vermissten Kinder am 25. Mai informiert das Bundeskriminalamt (BK) über die Arbeit des Kompetenzzentrums für Abgängige Personen (KAP) und präsentiert ein neues Präventionsprojekt, das die Anzahl der Abgängigkeiten Minderjähriger aus Betreuungseinrichtungen stark reduzieren soll.Im Jahr 2017 wurden in ganz Österreich mehr als 10.000 Vermisstenanzeigen erstattet, das sind 27 pro Tag. Davon bleiben auf lange Sicht etwa zehn Fälle pro Jahr ungelöst. Mit Stichtag 1. Mai 2018 waren im österreichischen Fahndungssystem 1.267 Personen als abgängig gespeichert. Dabei handelt es sich um 521 Erwachsene und 746 Minderjährige. Bei den Minderjährigen waren 563 jugendlich, also zwischen 14 und 18 Jahre alt, und 183 unter 14 Jahre und somit unmündig. Von den am Stichtag im System gespeicherten abgängigen Personen stammen insgesamt 138 Erwachsene, 484 Jugendliche und 140 Unmündige aus Nicht-EU-Staaten. In der Steiermark sind derzeit 105 Menschen als vermisst gemeldet, 50 davon sind minderjährig.Fast drei Viertel, 73 Prozent, aller in Österreich als vermisst Gemeldeten sind Minderjährige, die sich ohne Erlaubnis aus Betreuungseinrichtungen entfernen. In der Regel tauchen sie nach wenigen Tagen wieder auf oder können aufgefunden werden. Die meisten dieser Anzeigen (circa 75 Prozent) betreffen Minderjährige, die bereits mehr als dreimal abgängig waren, einige von ihnen bis zu 50-mal und öfter. 80 bis 85 Prozent aller Vermissten tauchen innerhalb einer Woche wieder auf, 90 bis 95 Prozent innerhalb eines Monats.Projekt HeimvorteilDie Bearbeitung dieser Fälle führt bei den örtlich zuständigen Polizeiinspektionen einerseits zu massiver Ressourcenbindung, andererseits mangelt es am gegenseitigen Verständnis zwischen Polizei und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Betreuungseinrichtungen. Aus Sicht des KAP bestand deshalb dringender Handlungsbedarf diese Situation zu verbessern. Nach Auswertung der KAP-Statistik wurden fünf Einrichtungen in den vier Bundesländern Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich und Wien sowie die zuständigen Polizeidienststellen für einen Probebetrieb ausgewählt. Eines der wesentlichen Ziele des Probebetriebes war die Verbesserung der Kommunikation zwischen allen beteiligten Personengruppen, nämlich der Polizei, den Betreuungseinrichtung und den Minderjährigen.Dem eigentlichen Projektstart im Jänner 2017 gingen mehrere Sondierungsgespräche und Vorbereitungsmaßnahmen durch das KAP voraus, die bereits im zweiten Halbjahr 2016 begannen. Die Anzahl der Abgängigkeitsanzeigen konnte überall dort gesenkt werden, wo über die Leitung der Einrichtungen ein vertrauensvoller Kontakt hergestellt werden konnte beziehungsweise wo Minderjährige noch über Gespräche und Workshops „erreichbar“ waren. Ein Zugang zu tatsächlich verhaltensauffälligen oder in therapeutischer Behandlung befindlichen Minderjährigen ist allerdings über polizeiliche Präventionsarbeit kaum mehr möglich.Bis Ende 2018 sollen alle für eine österreichweite Betreuung der Zielgruppe erforderlichen Maßnahmen ausgearbeitet werden. Danach soll dieses Service österreichweit für Betreuungseinrichtungen zur Verfügung stehen.Vom KAP wurde auch ein neues Anzeigeformular erstellt, das von den beteiligten Sozialeinrichtungen als Hilfsmittel zur Anzeigeerstattung bei Abgängigkeiten erprobt wurde. Dieses Formular wurde inzwischen österreichweit an alle Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe verteilt und ist in Verwendung.Über das KAPIm September 2013 wurde das Kompetenzzentrum für abgängige Personen (KAP) im Bundeskriminalamt geschaffen. Es unterstützt die in Abgängigkeitsfällen ermittelnden Polizistinnen und Polizisten als internationale und nationale Drehscheibe, ist für Ausbildungen zuständig und sammelt und bereitet Datenmaterial auf.Das KAP ist grundsätzlich keine operative Einheit, führt aber in besonderen Einzelfällen auch Ermittlungen durch. Die Zuständigkeit des KAP erstreckt sich in erster Linie auf Grundsatzangelegenheiten des Vermisstenwesens mit dem Ziel, die damit befassten Dienststellen, vor allem auch im Bereich der internationalen Fahndung, zu servicieren. Die Erstellung und Auswertung von Statistiken, die Einführung und Entwicklung moderner Fahndungsmethoden mittels „Aging“, über „Infoscreens“ im Bereich der öffentlichen Verkehrsmittel oder mit Hilfe von Apps wie „KATWARN“ über mobile Endgeräte sowie die Betreuung von Angehörigen gehören ebenfalls zu den Aufgaben der Spezialisten.Rasche Unterstützung bietet auch die kostenlose Hotline „116000“, mit der auch die Polizei kooperiert. Die einheitliche Rufnummer für ganz Europa richtet sich sowohl an Kinder und Jugendliche, die von zu Hause ausgerissen sind und nicht mehr weiter wissen, als auch an Eltern und Bezugspersonen, deren Kind abgängig ist oder die einen Kindesentzug beziehungsweise eine Kindesentführung vermuten.

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